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Cross-Border-Shops: Was Händler beim internationalen Onlinehandel zu beachten haben

Die Internationalisierung von Onlineshops liegt voll im Trend. Immer mehr Shopbetreiber entscheiden sich, eine weltweit verfügbare Plattform zu nutzen und somit auch ausländischen Kunden innerhalb der Europäischen Union (EU) oder weltweit die Möglichkeit zu bieten, in ihrem Shop bestellen zu können.
Entscheidet sich ein Händler zur Lieferung an ausländische Kunden, sind die Anpassungen zunächst scheinbar gering und die Kosten übersichtlich. Es bedeutet wenig Aufwand, ein neues Lieferland im Bestellprozess freizugeben, bei DHL die Auslandskonditionen anzufragen und die Seite ins Englische zu übersetzen. Doch so einfach ist es aus rechtlicher Sicht nicht.
1. Welche Rechtsordnung gilt – oder: Darf ein Schweitzer vom deutschen Widerrufsrecht Gebrauch machen?
Wenn ein deutscher Händler beispielsweise an einen Verbraucher in Frankreich Waren liefert und später Mängelgewährleistung geltend gemacht wird, stellt sich die Frage, ob deutsches oder französisches Recht zur Anwendung kommt. In vielen Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Onlineshops findet sich dazu eine Klausel, wonach deutsches Recht gelten soll. Nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) darf auch in Verbraucherverträgen eine solche Rechtswahl vereinbart werden. Allerdings bestimmt Art. 6 Abs. 2 Satz 2, dass die Rechtswahl jedoch nicht dazu führen darf, dass dem Verbraucher das Schutzniveau seines Heimatlandes dadurch nicht entzogen werden darf.
Das bedeutet für Onlinehändler: Zwar kann über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Rechtswahl, etwa für deutsches Recht  getroffen werden. Allerdings gilt das im einzelnen Streitfall dann immer nur soweit, als der Verbraucher nicht benachteiligt wird. Wären also in dem obigen Beispiel die Regelungen im französischen Gewährleistungsrecht aus Sicht des Verbrauchers besser, kämen diese zur Anwendung – trotz der vereinbarten Rechtswahl. Onlinehändler mit ausländischem Liefergebiet müssen sich daher im Zweifel auch mit ausländischem Verbraucherrecht auseinandersetzen.
Hinzu kommt, dass die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten die fernabsatzrechtlichen Regelungen teils sehr unterschiedlich in nationales Recht umgesetzt haben. Daher stellt das deutsche Fernabsatzrecht für Verbraucher in einigen EU-Ländern ein Nachteil dar. So gibt es in Österreich derzeit überhaupt kein Rückgaberecht, sondern nur das Widerrufsrecht. In Finnland hat der Unternehmer immer die Kosten des Rücktransports zu tragen und die deutsche 40-EURO-Klausel gibt es ansonsten in der EU gar nicht. Die Widerrufsfristen sind in den einzelnen EU-Staaten unterschiedlich lang. Während in Deutschland die Widerrufsfrist 14 Tage beträgt, beläuft sie sich in Österreich auf 7 Werktage, in Griechenland auf 10 Tage und in Malta und Slowenien auf 15 Tage.
Daraus folgt: Die deutsche Widerrufsbelehrung passt nicht immer bei der Lieferung in andere EU-Staaten. Es kann aber auch das deutsche Recht für Verbraucher aus anderen EU-Staaten von Vorteil sein. Da die Widerrufsfrist in Österreich nur 7 Tage beträgt, stellt die deutsche Regelung für den österreichischen Verbraucher einen Vorteil. Hat der Händler über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen deutsches Recht vereinbart, gilt diese Regelung dann auch: Der Händler muss dem österreichischen Verbraucher das 14-tägige Widerrufsrecht gewähren. Läßt ein deutscher Händler mit seinen AGB den Verkauf an einen Schweitzer Kunden zu, steht auch diesem das deutsche Widerrufsrecht zu. Denn: Wird deutsches Recht vereinbart, gilt das auch – im Verhältnis zu jedem Kunden.
2. Alles wird besser: Europaweite Harmonisierung des Fernabsatzrechts im kommenden Jahr
Über die Umsetzung der neuen Europäischen Verbraucherrechterichtline 2011/83/EU (VRRL) in nationales Recht ergeben sich im kommenden Jahr insoweit Änderungen für Onlinehändler. In Deutschland wurde der entsprechende Gesetzesentwurf zur Umsetzung der VRRL gerade am 14.06.2013 verabschiedet. Das Gesetz tritt am 13.06.2014 in Kraft. So wird es insbesondere künftig ein europaweit einheitliches 14-tägiges Widerrufsrecht geben wird. Damit wird dann vieles einfacher für den grenzüberschreitenden Onlinehandel. Wir haben in diesem Blog bereits über die neuen Regelungen informiert.
3. Kann ein spanischer Kunde seine Rechte gegen einen deutschen Händler in Spanien einklagen?
Shopbetreiber müssen auch wissen, dass Verbraucher sie bei einem gezielten Vertrieb in andere Länder immer an ihrem Heimatort verklagen können, denn für Verbraucher gilt nach Art. 15 Abs. 1 lit. C, 16 EuGVVO der Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) ein besonderer Gerichtsstand. „Gezielter Vertrieb“ bedeutet, dass sich der Shop auch an den ausländischen Kundenkreis richten muss. Das kann der Fall sein, wenn eine oder mehrere dieser Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Angabe von Versandkosten für das Land
  • Unterschiedliche Sprachen (Vorsicht: Englisch ist Weltsprache!)
  • Betreiben des Shops unter einer ausländischen TLD (de, at, ch…)
  • Angabe unterschiedlicher Währungen in der Preisauszeichnung
  • Umfassende Länderauswahl im Bestellformular bei der Adresseingabe
  • Angabe einer ausländischen Bankverbindung
  • Angabe einer +49-Telefonnummer
  • Angabe von ausländische Zweigstellen

Nach der genannten Regelung kann ein Verbraucher beim gezielten Vertrieb wählen, ob er sein Heimatgericht oder das Gericht am Sitz des Händlers für eine Klage wählt, die er gegen den Händler einreichen möchte. Will jedoch der Händler einen Verbraucher verklagen, muss er die Klage immer vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat tun.
4. Was ist die Lösung für den internationalen Onlinehandel?
Es gibt mehrere – mehr oder weniger praktikable – Alternativen für Shops, die rechtlichen Regelungen zu berücksichtigen:
Shopbetreibern, denen die Rechtslage zu kompliziert und die damit verbundenen Risiken zu hoch sind, sollten ihr Liefergebiet auf Deutschland beschränken und zunächst das Inkrafttreten der neuen VRRL im kommenden Jahr abwarten.
Dann gibt es die Möglichkeit, nur einzelne Länder mit in das Liefergebiet aufzunehmen. Welche Länder das sind, hängt auch von deren Ausgestaltung des Fernabsatzrechts (Widerrufsrecht, Rücksendekosten…) oder Gewährleistungs- und Schuldrecht ab.
Wer in die gesamte EU liefern möchte, muss – um derzeit rechtssicher agieren zu können – jeweils eine Shopversion pro Land mit jeweils eigenen AGB anbieten und kann das System dann mit Inkrafttreten der neuen VRRL 2014 anpassen.
 
Bildnachweis: © Tanja Bagusat – Fotolia.com

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