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Bild: DALL·E, 14.02.24

UWG Novelle 2020: Keine außergerichtliche Streitbeilegung bei Kleinunternehmen mehr für Informations- und Kennzeichenverstöße?

Die UWG-Novelle 2020 hat einige Änderungen im Bereich der Vertragsstrafen für bestimmte Verstöße mit sich gebracht. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Neuerungen für den Schuldner wirklich von Vorteil sind. Oder müssen die Konsequenzen nun vor Gericht ausgetragen werden?

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg können Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern bei erstmaliger Abmahnung wegen Verletzung gesetzlicher Informations- und Kennzeichenpflichten im Internet die Angelegenheit nicht mehr außergerichtlich durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erledigen. Fraglich ist nun, wie sich diese Einschränkung genau auf die Handlungsmöglichkeiten der betroffenen Unternehmen auswirkt und welche Folgen dies für den Einzelnen hat.

Hintergrund der UWG-Novelle 2020 und der Streit um Vertragsstrafen:

Am 2. Dezember 2020 ist die Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Kraft getreten. Diese sieht wesentliche Änderungen im Umgang mit Wettbewerbsverstößen vor. Insbesondere ist nach § 13a Abs. 2 UWG ausgeschlossen, dass ein abgemahntes Unternehmen, das weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt, mit einem abmahnenden Wettbewerber eine Vertragsstrafe vereinbart. Dies gilt immer dann, wenn es sich um eine Erstabmahnung handelt und gesetzliche Informations- oder Kennzeichnungspflichten im Internet verletzt wurden.

Die Neuregelung hat jedoch zu einer kontroversen Diskussion über ihre Auswirkungen geführt. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob eine außergerichtliche Streitbeilegung auf dem herkömmlichen Weg der Abgabe einer Unterlassungserklärung in den von der Vorschrift erfassten Fällen überhaupt noch möglich ist. Die Unsicherheit und Uneinigkeit in diesem Punkt wirft Fragen nach der Effektivität und Praktikabilität der neuen Regelung auf.

Urteil des OLG Nürnberg und seine Folgen:

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat in einem aktuellen Urteil vom 09. Mai 2023, Az. 3 U 3524/22, über wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche entschieden. Im zugrunde liegenden Fall war ein privilegierter Kleinunternehmer von einem Mitbewerber wegen fehlender Grundpreisangaben auf der Plattform eBay abgemahnt worden. Die Parteien stritten unter anderem darüber, wer die Kosten zu tragen hat.

Das OLG Nürnberg stellte klar, dass die Neuregelung des § 13a Abs. 2 UWG nicht bedeute, dass dem Wettbewerber in den erfassten Fällen kein Unterlassungsanspruch mehr zustehe. Insbesondere ändere die Regelung nichts an dem Grundsatz, dass zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr weiterhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung erforderlich sei.

Das Gericht führte hierzu aus:

„Die Neuregelungen zum 2. November 2020 haben insbesondere nicht bewirkt, dass dem Mitbewerber in den Fällen des § 13 Abs. 4 UWG kein Unterlassungsanspruch mehr zusteht (Hofmann, WRP 2021, 1 (2, Rz. 10)). Ebenso wenig wollte der Gesetzgeber die anerkannte Dogmatik im Hinblick auf die Ausräumung der Wiederholungsgefahr, insbesondere den Grundsatz, dass nur eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinreichende Gewähr für die künftige Befolgung der maßgeblichen Vorgaben gibt, verändern (Hofmann, WRPP 2021, 1 (4, Rz. 18))“

Die Folgen dieser Regelung, die eine außergerichtliche Streitbeilegung unmöglich machen, habe der Gesetzgeber in Kauf genommen, so das OLG Nürnberg. Das Gericht erkennt an, dass das Ziel des Gesetzgebers, den Anfall von Vertragsstrafen und Abmahnkosten einzudämmen, nicht ausreicht. Auch wenn dem Abgemahnten keine Abmahnkosten und Vertragsstrafen mehr drohen, kann er dennoch mit Anwalts- und Gerichtskosten belastet werden, die für das notwendige gerichtliche Verfahren anfallen.

Gibt es Alternativen zur außergerichtlichen Streitbeilegung?

Das OLG Nürnberg weist jedoch auf die verbleibende Möglichkeit einer Drittunterwerfung hin, etwa gegenüber einem Wettbewerbsverband oder einer Verbraucherzentrale. Damit bleibt im Einzelfall eine Alternative zur außergerichtlichen Streitbeilegung.

Unterschiedliche Auffassungen zu § 13a Abs. 2 UWG:

Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig und ein Teil der Literatur vertreten die Auffassung, dass in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG die Wiederholungsgefahr auch durch die Abgabe einer nicht strafbewehrten „einfachen“ Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann. Nach Ansicht des OLG Schleswig ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung eine außergerichtliche Streitbeilegung zwischen Wettbewerbern ausschließen wollte. Vielmehr sei die Intention des Gesetzgebers darauf gerichtet gewesen, das Entstehen von Vertragsstrafen und Gebühren zu begrenzen, um einer missbräuchlichen Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche entgegenzuwirken.

Nach dieser Ansicht sollte eine einfache Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe ausreichen. Andernfalls könnte der Wettbewerber den Unterlassungsschuldner trotz abgegebener Unterlassungserklärung gerichtlich in Anspruch nehmen, was nicht nur nicht zur Entlastung der Gerichte beitragen würde, sondern auch zu einer erheblichen finanziellen Belastung des Unterlassungsschuldners führen könnte.

Und was sagt die andere Ansicht?

Dem steht die Auffassung gegenüber, § 13a Abs. 2 UWG sei nicht dahin auszulegen, dass die Wiederholungsgefahr in den erfassten Fällen durch die bloße Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung ausgeräumt wird. Danach berührt die Neuregelung weder den Unterlassungsanspruch des Abmahnenden noch den Begriff der Wiederholungsgefahr und deren Beseitigung durch eine hinreichend strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Was versteht man eigentlich unter einer strafbewehrten Unterlassungserklärung?

Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ist ein rechtliches Instrument, um die Wiederholungsgefahr als wesentliche Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch auszuräumen und diesen durch Abgabe der Erklärung zu beenden.

An die Wirksamkeit einer solchen Erklärung stellt die Rechtsprechung strenge Anforderungen.

Um den Anforderungen der Rechtsprechung zu genügen, muss die Unterlassungserklärung grundsätzlich unbedingt, vorbehaltlos und unwiderruflich abgegeben werden. Zudem muss sie mit einem angemessenen Vertragsstrafeversprechen versehen sein. Wichtig ist, dass die Unterlassungsverpflichtungserklärung genau auf den konkreten Verletzungsfall zugeschnitten ist.

Der abmahnende Verletzer muss seinerseits ein angemessenes Vertragsstrafeversprechen abgeben. Die Höhe der Vertragsstrafe, die sich von den Ordnungsmitteln des § 890 ZPO unterscheidet, muss geeignet sein, den Verletzer ernsthaft von der Wiederholung der Verletzungshandlung abzuhalten. Insgesamt dient die strafbewehrte Unterlassungserklärung als Mittel zur konkreten Absicherung gegen künftige Verstöße und zur Sicherung der Wirksamkeit des Unterlassungsanspruchs.

Folgen des Urteils in der Praxis:

Das Urteil des OLG Nürnberg bringt zwar einige rechtliche Klarstellungen, führt aber in der Praxis zu erheblichen Problemen. Insbesondere der vom Gericht aufgezeigte Weg der Drittunterwerfung wird von vielen Gerichten als problematisch angesehen und nur unter engen Voraussetzungen akzeptiert.

Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, in der regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit einen verfolgungsbereiten und verfolgungsbefugten Dritten zu finden, der sich zu einer Drittunterwerfung bereit erklärt. Diese Hürde erweist sich in der Regel als schwierig.

Die Folge ist, dass abgemahnte Kleinunternehmen sich häufig in unnötigen Gerichtsverfahren wiederfinden. Selbst dann, wenn sie grundsätzlich zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung bereit wären. Dies führt zu einer zusätzlichen Belastung der Gerichte und steht im Widerspruch zu der Intention der Gesetzesänderung, die Zahl der Gerichtsverfahren zu reduzieren und eine effiziente außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern.

Sollten Sie eine entsprechende wettbewerbsrechtliche Abmahnung oder einstweiligen Verfügungsantrag erhalten haben, beraten wir Sie gern.

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