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Rechtliche Herausforderungen bei der Konzeption von E-Commerce-Plattformen

Trolley Icon - blueGleich ob Marketplace, Auktionshaus oder individuelle Vertriebsplattform – alles, was über einen „normalen“ Online-Shop mit nur einem Verkäufer hinausgeht, beinhaltet eine Fülle an rechtlichen Themenkomplexen und Problemstellungen, die auf den ersten Blick nicht gleich sichtbar sind. Schwierig wird es erst, wenn eine Vielzahl von Händlern in einem Shop eingebunden werden. Dann stellen sich Fragen wie

  • Wie ist das Verhältnis Plattformbetreiber – Händler zu regeln?
  • Wie erfolgt die Bestellung, Zahlungsabwicklung, Retourenabwicklung?
  • Wer ist für die Inhalte (Fernabsatzinformationen, Artikelbeschreibungen, Pflichtinformationen) zuständig?

Aus den Erfahrungen der praktischen Projektarbeit und rechtlichen Begleitung geben wir einen Überblick über die wichtigsten Punkte, die bei komplexen E-Commerce-Projekten beachtet werden sollten.

1.     Diese Verträge sollten Plattformbetreiber schließen:
E-Commerce-Projekte weisen ein komplexes Netz an Partnern auf, die die verschiedensten Funktionen innerhalb des Gesamtgebildes wahrnehmen. Gleich ob Dienstleister, Lieferanten, Vertriebs- oder Handelspartner – es ist von grundlegender Bedeutung, mit allen Partnern schriftliche Vereinbarungen zu treffen, welche sämtliche Rechte und Pflichten genauestens abbilden.

– Verträge mit technischen Dienstleistern
Hierzu zählen etwa Agenturen, welche das Projekt technisch umsetzen oder Webhoster, welche die Infrastruktur bereitstellen. Durch die technischen Dienstleister wird die Basis des Projekts geschaffen, was meist auch einen erheblichen Teil des Budgets beansprucht. Deshalb sollten in einem Projektvertrag die Anforderungen an die Plattform, die Leistungspflichten der Agentur, die Abnahme, Gewährleistung etc. ausführlich geregelt werden. In der Regel übernimmt die Agentur auch die Pflege, was ebenfalls vertraglich abgebildet werden muss.
Mit dem Webhoster ist im Rahmen eines Hostingvertrages festzulegen, welche Ansprüche an die technische Infrastruktur zu stellen sind. Insbesondere Aspekte der Sicherheit und Verfügbarkeit müssen beachtet werden. Darüber hinaus ist der Auftraggeber auch verpflichtet, mit dem Webhoster einen Auftragsdatenverarbeitungsvertrag zu schließen, soweit personenbezogene Daten – insbesondere Kundendaten- auf dessen Servern gespeichert werden.
Weitere Dienstleister können Werbeagenturen sein, die  mit der Umsetzung des Online- und Offline-Marketings beauftragt sind. Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten, z.B. SEM, SEO, Keyword Advertising, Affiliate-Marketing etc. Jede dieser Werbeformen weist Besonderheiten auf, die ebenfalls vertraglich ausreichend berücksichtigt werden sollten.

– Verträge mit Merchants, Händlern
E-Commerce-Plattformen beschränken sich nicht auf den Eigenvertrieb, sondern bieten auf einen Vertriebskanal für Händler, Merchants oder auch privaten Verkäufern. Bei der Vereinbarung der gegenseitigen Rechte und Pflichten sind u.a. die Zugangsvoraussetzungen, die Einstellung von Inhalten und die Haftung, insbesondere für Artikelbeschreibungen und Angebotsdarstellungen zu regeln. Darüber hinaus ist festzulegen, wer die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der rechtlichen Informationspflichten im Fernabsatz trägt und ob einheitliche Bestimmungen zum Retourenmanagement, der Festlegung der Sortimente, der Zahlungsabwicklung und der Eintreibung von Forderungen bestehen sollen.

– Verträge mit Lieferanten, Logistikern und Vertriebspartnern
Geht der Plattformbetreiber beim Eigenvertrieb mit bestimmten Lieferanten feste Liefervereinbarungen ein, sollten individuelle Rahmenbedingungen geschlossen werden. Es besteht z.B. als Einkaufsverbund auch die Möglichkeit, für die Merchants und Händler entsprechende Vereinbarungen mit Lieferanten einheitlich auszuhandeln.
Mit Logistikern können komplette Versandmodelle vereinbart werden, welche Anlieferung, (Zwischen-)Lagerung und Auslieferung an den Endkunden und ggf. auch Service vor Ort detailliert regeln.
Vertriebspartner sollen dabei helfen, den eigenen Umsatz zu steigern. Dabei handelt es sich um alle Arten von Absatzhelfern oder Handelsvertretern. Diese arbeiten meist auf Provisionsbasis. In einer entsprechenden Rahmenvereinbarung sollten die Voraussetzungen für Provisionen festgelegt werden, sowie das Tätigkeitsfeld des Vertriebspartners  ggf. räumlich und funktional abgegrenzt werden.

Checkliste: Mögliche Verträge für Plattformbetreiber

  • Projektvertrag mit Webdienstleister
  • Pflegevertrag mit Webdienstleister
  • Hostingvertrag mit Webhoster
  • Auftragsdatenverarbeitungsvertrag mit Webhoster
  • SEM-/SEO-Verträge mit Marketingagenturen
  • Händlervertrag mit Merchants
  • Lieferantenvertrag mit Lieferanten
  • Logistikvertrag mit Logistiker

2.     Diese rechtlichen Strukturen der Plattform sind festzulegen
Wie und wann kommt der Vertrag mit dem Käufer als Endkunden zustande und wer wird dessen Vertragspartner? Wer übernimmt die Zahlungsabwicklung und das Forderungsmanagement? Welche Marketingmaßnahmen sind vorgesehen und gehen diese konform mit den Datenschutzvorschriften?
Bei der Planung des Projekts sollten bereits von Anfang an die rechtlichen Strukturen herausgearbeitet und rechtliche Probleme erkannt werden. Finden diese Prozesse erst gegen Ende der Projektarbeiten statt, sind zumeist strukturelle und technische Änderungen am gesamten Projekt die Folge, die einen erheblichen zeitlichen und finanziellen Mehraufwand bedeuten.

Zustandekommen des Vertrages und Vertragspartner
Ist kein Eigenvertrieb über die Plattform geplant, werden in der Regel die Merchants und Händler direkte Vertragspartner des Endkunden. Der Betreiber der Plattform vermittelt dann nur die Verträge und bietet daneben den Kunden eine Reihe von Zusatz-Dienstleistungen, die er für den Merchant übernimmt.
Es ist essentiell, dass der Endkunde bereits vor Einleitung des Bestellvorgangs darüber aufgeklärt wird, wer sein Vertragspartner wird. Es muss also rechtzeitig ein Hinweis auf den jeweiligen Merchant und dessen Impressum erfolgen. Darüber hinaus sind dem Endkunden auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des jeweiligen Merchants vor Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen und anschließend zusätzlich in Textform zu übersenden. Kauft der Endkunde gleichzeitig bei mehreren Merchants ein, muss technisch eine entsprechende Lösung gefunden werden, um diese Voraussetzungen zu erfüllen.

– Erfüllung der Informationspflichten im Fernabsatz
Neben den Angaben zum Vertragspartner sind dem Verbraucher im Fernabsatz noch zahlreiche weitere Informationen zur Verfügung gestellt werden. Dies betrifft etwa die Widerrufsbelehrung, die Preisauszeichnung oder die wesentlichen Merkmale der Ware. Werden diese Informationen nicht gesetzeskonform übermittelt, handeln der Merchant und ggf. auch der Betreiber der Plattform wettbewerbswidrig. Kostspielige Abmahnungen können die Folge sein. Wenn diese Schwachstellen der Plattform öffentlich werden oder gleich eine Vielzahl von Merchants abgemahnt werden, schadet das dem Betreiber. Daher ist großer Wert darauf zu legen, alle Informationspflichten über die Plattform zu erfüllen. Und schließlich ist hier zu entscheiden, inwieweit der Betreiber den Merchants die Rechtssicherheit zusichern und entsprechend die Haftung übernehmen möchte.

– Zahlungsabwicklung
Auch wenn der Merchant selbst Vertragspartner des Endkunden wird, bietet der Betreiber in der Regel an, die Zahlungsabwicklung im Rahmen des Fullfillment für diesen zu übernehmen. Der Endkunde zahlt dann zumeist über einen Finanzdienstleister an den Betreiber, dieser verrechnet den Betrag ggf. mit den ihm zustehenden Verkaufsgebühren und schüttet die Differenz nach einer Vorhaltefrist an den Merchant aus.
Den meisten Betreibern ist dabei jedoch nicht bewusst, dass sowohl die Erbringung von Zahlungsdienstleistungen – auch als bloße Nebentätigkeit – über das Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (ZAG) als auch der Ankauf von Forderungen über das Gesetz über das Kreditwesen (KWG) eine Zulassung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und damit eine Beaufsichtigung durch diese Behörde auslösen. An die Zulassung als Finanzdienstleister sind dabei hohe Anforderungen geknüpft. Um dieses Szenario zu umgehen, sollte ein geeignetes rechtliches Konstrukt zwischen Plattformbetreiber und Merchant gebildet werden.
Erst dann kann bestimmt werden, wie die Rechnungen ausgestaltet werden und insbesondere wer Aussteller der Rechnung an den Endkunden ist.

– Datenschutz
Sobald Merchants und Händler in die Plattform eingebunden sind, ist die Frage zu klären, wer als „Herr der Daten“ für die erhobenen personenbezogenen Daten verantwortlich ist. Ist der Betreiber verantwortlich für die Daten, so kann er diese unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorschriften in einer zentralen Kundendatenbank (CRM) speichern.
Sind jedoch die Merchants für die Daten ihrer jeweiligen Kunden verantwortlich, so ist der Betreiber lediglich Auftragsdatenverarbeiter. Er muss dann mit jedem Merchant einen Auftragsdatenverarbeitungsvertrag abschließen und für jeden Merchant eine Kundendatenbank anlegen, die von den Datenbanken der übrigen Händler zu trennen ist. Auch hier sind Strukturen zu entwickeln, die einen übermäßigen datenschutzrechtlichen Aufwand beim Betreiber vermeiden.
Darüber hinaus muss für jede werbliche Verwendungsart der personenbezogenen Daten geprüft werden, wie diese gesetzeskonform umsetzbar ist. Grundsätzlich muss der Betroffene über jegliche werbliche Verwendung seiner personenbezogenen Daten und eine Weitergabe an Dritte umfangreich aufgeklärt werden. Insbesondere sind die Einwilligungen der Betroffenen rechtskonform einzuholen und revisionssicher zu speichern. Aus diesem Grund ist die Erstellung eines umfassenden Datenschutzkonzepts empfehlenswert.

Checkliste: Rechtliche Struktur auf der Plattform

  • Wird der Händler oder der Plattformbetreiber Vertragspartner des Endkunden werden?
  • Gibt es einen einheitlichen Warenkorb, auch wenn der Endkunde gleichzeitig bei verschiedenen Händlern bestellt?
  • Gibt es einheitliche Rechtstexte für alle Händler oder kann jeder Händler eigene Texte einstellen?
  • Wer ist für die Erfüllung der fernabsatzrechtlichen Informationspflichten usw. verantwortlich? Der Plattformbetreiber oder der einzelne Händler?
  • Ist eine einheitliche Zahlungsabwicklung über die Plattform geplant oder zahlt der Endkunde direkt an den einzelnen Händler?
  • Wer ist datenschutzrechtlich „Herr der Daten“: Plattformbetreiber oder Händler?

Fazit:  Wer sich bereits bei der Konzeption seines E-Commerce-Projektes frühzeitig rechtlich begleiten lässt, kann in der Regel viel Zeit, Geld und Ärger sparen und dem Erfolg des Vorhabens steht nichts im Weg.

 

Bildnachweis: © lookata – Fotolia – Fotolia.com

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