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Kritische Beiträge und „Shitstorms“ auf Social Media-Plattformen

Social Media Plattformen wie Facebook oder Google + werden immer öfter von Unternehmen genutzt, um eine intensivere und zeitgerechte Kommunikation mit den Kunden aufzubauen. Ein Risiko bei dieser Form der Kommunikation besteht dabei in den sogenannten „Shitstorms“.
„Shitstorms“ sind eine Vielzahl negativer Protest-Nutzerbeiträge in Blogs, Facebook-Einträgen oder Twitter-Nachrichten, die in Form von Protesten oder Empörungswellen aufsteigen und häufig neben unsachlichen auch rechtswidrige Äußerungen enthalten.  Beispiel: In einem Werbespot der ING-DiBa war der Basketball-Star Dirk Nowitzki zu sehen, wie er eine Scheibe Wurst in einer Metzgerei isst. Dies führte Anfang 2012 zu einer Welle der Empörung unter Vegetariern, die auf der ING-DiBa-Webseite zahlreiche Proteste und Kommentare abgaben.
Aber auch bei kritischen Beiträgen und Kommentaren auf Dritt-Webseiten wie Blogs, Unternehmensseiten oder Social-Media-Plattformen bietet deutsche Recht bietet eine Vielzahl von rechtlichen Schutzmaßnahmen, die in einem solchen Fall mehr oder weniger erfolgreich angewendet werden können:

1. Gegendarstellungsanspruch
Der Gegendarstellungsanspruch ist ein presserechtlicher Anspruch und bezieht sich nur auf Tatsachenbehauptungen, wenn sich ein veröffentlichter Beitrag auf einen Sachverhalt bezieht, der nachprüfbar ist. Beispiel: In einem Blogbeitrag wird behauptet, ein Unternehmen stelle Tierversuche an. Diese Tatsache wäre nachprüfbar. Für den Gegendarstellungsanspruch spielt es keine Rolle, ob die behauptete Tatsache wahr oder unwahr ist. Bei einem Gegendarstellunganspruch ist der Veröffentlicher verpflichtet, eine gegenteilige Darstellung des Betroffenen zu dem Sachverhalt zu veröffentlichen.
Gegendarstellungsansprüche sind bei „Shitstorms“ auf Social Media Plattformen gegen die Anbieter der entsprechenden Plattformen oder Accounts durchsetzbar. Wird ein Beitrag oder Kommentar in einem Blog veröffentlicht, kann man sich direkt gegen den Blogbetreiber wenden und die Veröffentlich der Gegendarstellung verlangen. In dem genannten Beispiel könnte das Unternehmen, wenn es keine Tierversuche durchführt, von dem Blogbetreiber die Veröffentlichung der folgenden Mitteilung verlangen: „Gegendarstellung zum Blogbeitrag vom 13.06.2012: „Zum Beitrag „Unternehmen XY führt Tierversuche durch“ stellen wir fest: Unwahr ist, das wir Tierversuche durchführen. Wahr ist, dass wir Laborversuche an Zellkulturen durchführen….“
Ein Gegendarstellungsanspruch ergibt sich aus dem im Grundgesetz geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Während nach früherer Rechtsprechung (zum Beispiel Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.4.1998, Az. 12 O 132/98) grundsätzlich kein Anspruch auf Gegendarstellung gegen Veröffentlichungen auf Internetseiten bestand, hat inzwischen ein Umdenken stattgefunden. So entschied das Oberlandesgericht Bremen im Jahre 2011, dass sich ein Gegendarstellungsanspruch aus § 56 Rundfunkstaatsvertrag (RStV)  gegen den Betreiber einer Internetseite ergeben könne. Voraussetzung sei, dass eine journalistisch-redaktionelle Gestaltung gegeben sei.  Diese Anforderung sei bereits dann erfüllt, wenn in einer Homepage regelmäßig aktuelle Informationen und Pressemitteilungen veröffentlicht würden (Urteil vom 14.01.2011, Az. 2 U 115/10).

2. Widerruf
Widerrufsansprüche bestehen bei unwahren Tatsachenbehauptungen. Wer die Veröffentlichung eines Widerrufs verlangt, muss voll beweisen, dass der dargestellte Sachverhalt unwahr ist.
Bei einem Widerruf wird der Veröffentlicher aufgefordert, selbst eine eigene Erklärung abzugeben. Beispiel: „Im Blogbeitrag vom 13.06.2012 unter der Überschrift „Unternehmen XY führt Tierversuche durch“ haben wir behauptet, die Firma XY führte Tierversuche durch. Die Behauptung wird hiermit als unwahr und nehmen diese zurück.“

3. Unterlassungsanspruch
Neben den Anspruch auf Gegendarstellung oder Widerruf kann unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich ein Anspruch auf Unterlassung treten. Voraussetzung ist, dass

  • die behauptete Tatsache unwahr ist,
  • behauptete Tatsache das Ansehen des Betroffenen beeinträchtigen kann
  • und die Darstellung nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist.

Dann wird der Veröffentlicher verpflichtet, eine Unterlassungserklärung abzugeben in der er verspricht, die Äußerung zukünftig zu unterlassen und im Falle eines erneuten Verstoßes eine empfindliche Vertragsstrafe zu zahlen. Weigert sich der Veröffentlicher, kann gegen ihn eine einstweilige Verfügung beantragt oder ein Klageverfahren eingeleitet werden.

4. Das virtuelle Hausrecht
Eine weitere Möglichkeit, sich eines „Shitstorms“ zu erwehren besteht in der Ausübung des virtuellen Hausrechts durch den Seiteninhaber. Hier werden die negativen Proteststürme letzten Endes gelöscht, einfach weil der Plattform- oder Accountinhaber Eigentümer oder Besitzer der Hardware ist, auf der die Einträge gespeichert sind. Das virtuelle Hausrecht kann sich aber auch Vertrag ergeben:
In den Nutzungsbedingungen z. B. von Facebook wird den Betreibern der Accounts und Fan- bzw. Unternehmensseiten die Verantwortung für die Inhalte übertragen. Die Inhalte können als Administratoren verwaltet und damit Beiträge gelöscht oder Nutzer blockiert werden. Sowohl Facebook als auch Google + stellen in ihren Nutzungsbedingungen auch Vorgaben an die Nutzer auf, sich rechtmäßig zu verhalten, niemanden zu bedrohen und keine Schikane auszuüben.
Zu beachten ist aber im Bereich von „Shitstorms“, dass eine Verletzung von Grundrechten der Nutzer nicht stattfinden darf. Wenn ein Fanseiten-Betreiber Maßnahmen wie das massenhafte Blockieren von Nutzern oder Löschen von Beiträgen ergreift, so kann dies als Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Nutzer gewertet werden. Diesen Eingriff kann der Fanseiten-Betreiber auch nicht dadurch rechtfertigen, dass er behauptet, die Nutzer hätten Rechtsverstöße begangen. Wenn der „Shitstorm“ jedoch solche Dimensionen erlangt, dass der Betrieb des Unternehmens oder der Seite durch aktiven und unmittelbaren physischen, wirtschaftlichen oder ähnlichen Druck gestört wird, so kann dies als Rechtfertigung für Maßnahmen dienen. In dem Beispiel des „Shitstorms“ auf die Fanseite der ING DiBa hatten sich als Reaktion auf die Werbung auf der Facebook-Fanseite zwei Lager gebildet, die darüber diskutierten, ob der Verzehr von Fleisch korrekt ist oder nicht. Da dies mit dem eigentlichen Sinn der Seite – der Kommunikation zwischen Kunden und der Bank – nichts gemein hatte und der „Shitstorm“ die Kommunikation der Kunden mit der Bank nahezu unmöglich machte, durfte die Bank neue Beiträge auf der Pinnwand löschen. Solange die Maßnahme, wie hier im Beispiel der ING-DiBa transparent und verhältnismäßig ist, ist ein solcher Eingriff daher gerechtfertigt.

Fazit
Betreibern von Fanseiten auf Social Media Plattformen steht eine Vielzahl von Möglichkeiten offen, „Shitstorms“ abzuwehren, bzw. einzudämmen und für die Zukunft zu verhindern. Dies ist jedoch nur in einem gesetzlichen Rahmen möglich. Die Abwehrmaßnahmen dürfen nicht dazu benutzt werden, für den Betreiber unangenehme oder kritische Beiträge zu blockieren oder zu löschen. Erst wenn durch die Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Nutzer der Betrieb der Fanseite gestört wird, darf der Betreiber verhältnismäßige Maßnahmen für die Zukunft ergreifen.Bei kritischen Beiträgen auf Dritt-Plattformen, Blogs und sonstigen Webseiten, die Tatsachenbehauptungen enthalten, kommen der Gegendarstellungsanspruch und der Anspruch auf Widerruf als Abwehrmaßnahmen in Betracht.

 

Bildnachweis: ©  Steffen Persiel – Fotolia.com

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