Überspringen zu Hauptinhalt
Neues Gewährleistungsrecht

Neues Gewährleistungsrecht zum 01.01.2022

Zum 1.01.2022 tritt das „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ in Kraft. Die Gesetzesänderung erfolgt in Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771, „WKRL“) – die die bisherige Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (VGKR) von 1999 ersetzt.

Die WKRL und ihre Umsetzung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sollen das ordnungsgemäße Funktionieren des digitalen Binnenmarkts gewährleisten und für ein hohes Verbraucherschutzniveau sorgen. Die Änderungen gelten für alle Kaufverträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen werden. Für vorher geschlossene Verträge gilt das „alte“ BGB.

Unsere Blogartikel zu weiteren aktuellen Gesetzesänderungen finden Sie hier:

Hier eine Übersicht über die Änderungen:

1. Ausweitung des Begriffs des Sachmangels

Nach der aktuellen Regelung in § 434 BGB ist eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Bislang kam es also vorrangig darauf an, was die Parteien vertraglich dazu vereinbart hatten, was die Kaufsache „können muss“. Das ist auch nach der neuen Regelung ein Kriterium, aber nicht mehr das Vorrangige. Die neue Regelung setzt zukünftig weitergehende Voraussetzungen für die Mangelfreiheit voraus, die gleichwertig sind und zusammen vorliegen müssen. Nach dem neu gefassten § 434 Abs. 1 BGB ist eine Sache dann frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang

den subjektiven Anforderungen,

und den objektiven Anforderungen

und ggf. den Montageanforderungen entspricht.

Das heisst das im Einzelnen:

Subjektive Anforderungen

Die subjektiven Anforderungen betreffen im weitesten Sinne die Vereinbarungen zwischen den Parteien und sind nach § 434 Abs. 2 BGB erfüllt, wenn die Sache

  1. die vereinbarte Beschaffenheit hat,
  2. sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und
  3. mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.

Zur Beschaffenheit gehören Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben.

Objektive Anforderungen

Die objektiven Anforderungen beziehen sich auf die Frage, was der Käufer überlicher Weise erwarten darf. Sie sind nach § 434 Abs. 3 BGB erfüllt, wenn die Sache

1. sich für die gewöhnliche Verwendung eignet

2. eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung
– der Art der Sache und
– der der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,

3. der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und

4. mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.

Zu der üblichen Beschaffenheit hier gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit.

Auch bisher kam es schon auf die gewöhnliche Verwendung an, die bei einer vergleichbaren Sache üblich ist, das allerdings erst in zweiter Linie. Früher war vor allem maßgeblich, was die Parteilen vertraglich als Beschaffenheit vereinbart hatten. Jetzt müssen die objektiven Anforderungen gleichrangig mit den subjektiven Anforderungen erfüllt sein, damit die Sache insgesamt frei von Sachmängeln ist. Danach muss die Sache dem entsprechen, was bei einer vergleichbaren Sache branchenüblich ist und ordnungsgemäß mit allem Zubehör und allen Anleitungen verpackt sein. Fehlen also de Anleitungen oder die ordnungsgemäße Verpackung, liegt bereits aufgrund dessen ein Sachmangel vor, auch wenn die Sache an sich in Ordnung ist.

Montageanforderungen

Ist eine Montage durchgeführt, sind die Montageanforderungen nach § 434 Abs. 4 BGB nur dann erfüllt, wenn die Montage

1. sachgemäß durchgeführt worden ist oder
2. zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.

Schließlich ist in § 434 Abs. 5 BGB geregelt, dass die Lieferung einer anderen als der geschuldeten Sache ebenfalls einen Sachmangel darstellt.

2. Änderung zur Nacherfüllung 

Gemäß § 439 BGB können Käufer im Rahmen der Gewährleistung Nacherfüllung verlangen, und zwar nach ihrer Wahl entweder die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache.

Weggefallen sind die Regelung in den bisherigen § 475 Abs. 4 und Abs. 5 zum Verbrauchsgüterkauf, wonach der Verkäufer die Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten ablehnen oder auf eine Art der Nacherfüllung beschränken kann.

Die bisher auch schon vorhandene Vorschusspflicht des Verkäufers bei Nacherfüllung bleibt und ist jetzt neu in § 475 Abs. 4 BGB geregelt.

Der neue § 439 Abs. 5 BGB bestimmt, dass der Käufer dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung stellen muss und der Verkäufer die ersetzte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen hat.

In einem neuen § 475 Abs. 5 BGB ist jetzt speziell zum Verbrauchsgüterkauf geregelt, dass der Unternehmer die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen hat. Dabei hat er die Art der Sache sowie den Zweck, für den der Verbraucher die Sache benötigt, zu berücksichtigen.

3. Änderungen zum Rückgriff des Verkäufers 

Auch bislang schon konnten Verkäufer, die von ihren Kunden wegen Gewährleistung in Anspruch genommen wurden, nach § 445 a BGB wiederum ihre Lieferanten in Regress nehmen, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war. Dieses Recht wird im neuen § 445 a Abs. 1 BGB erweitert. Der Regressanspruch besteht auch dann, wenn der Mangel auf einer Verletzung der neuen Aktualisierungspflicht bei Waren mit digitalen Elementen gemäß § 475 b Absatz 4 BGB beruht (siehe dazu unten Nr. 8).

Wir bisher, verjähren die Regressansprüche nach § 445 b Abs. 1 BGB in zwei Jahren ab Ablieferung der Sache, wobei die Verjährung frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Verkäufer die Ansprüche des Käufers erfüllt hat. Die bisherige Begrenzung zur Ablaufhemmung dieses Verjährungseintritts auf fünf Jahre fällt mit der aktuellen Gesetzesänderung allerdings weg.

4. Rücktritt und Schadensersatz

Im neuen § 475 d BGB sind für den Verbrauchsgüterkauf diverse Fälle geregelt, nach denen eine Fristsetzung zur Nacherfüllung durch den Verbraucher nicht mehr erforderlich ist. Ab der Mitteilung des Sachmangels durch den Verbraucher an den Verkäufer läuft jetzt automatisch eine „angemessene“ Frist, nach deren Ablauf Rücktritt oder Schadensersatz geltend gemacht werden können.

5. Verjährung

Nach § 475 e Abs. 3 und Abs. 4 und § 476 BGB werden folgende Ergänzungen zur Verjährung zum Verbrauchsgüterkauf aufgenommen:

  • Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von vier Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat;
  • Hat der Verbraucher zur Nacherfüllung oder zur Erfüllung von Ansprüchen aus einer Garantie die Ware dem Unternehmer oder auf Veranlassung des Unternehmers einem Dritten übergeben, tritt die Verjährung von Ansprüchen nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher zurückgegeben wurde;
  • Die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen von Verbrauchern können nicht kürzer als zwei Jahre oder ein Jahr für gebrauchte Waren vereinbart werden. Voraussetzung für solche Vereinbarungen ist, dass
    – der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde
    – und die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.

6. Umkehr der Beweislast in § 477 BGB

Tritt bei einem Verbrauchsgüterkauf innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein Sachmangel auf, wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war. Vorher galt hier eine 6-monatige Frist.
Diese Beweisumkehr gilt nur dann nicht, wenn diese Vermutung mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar ist.

7. Änderungen zu Garantien in § 479 BGB

Die Pflichtinhalte einer Garantieerklärung beim Verbrauchsgüterkauf wurden neu geregelt. Erforderlich sind:

  • Hinweis auf die gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Verbrauchers und darauf, dass die Inanspruchnahme dieser Rechte unentgeltlich ist;
  • Hinweis darauf, dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden;
  • Namen und Anschrift des Garantiegebers;
  • das vom Verbraucher einzuhaltende Verfahren für die Geltendmachung der Garantie;
  • die Nennung der Ware, auf die sich die Garantie bezieht;
  • die Bestimmungen der Garantie, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes.

Die Garantieerklärung ist dem Verbraucher spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen.

8. Sonderregelungen zur Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren mit digitalen Elementen

Über das ebenfalls zum 01.01.2022 in Kraft tretende Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen wird mit einem neuen § 327 a Abs. 2 BGB der Begriff der „Waren mit digitalen Elementen“ eingeführt. Darunter fallen zum Beispiel Haushaltsgeräte oder Smartphones. Die Sachmängelhaftung für diese Waren ist ergänzend in den neuen §§ 475 b ff. BGB geregelt.

Danach gilt:

Sachmangel bei Waren mit digitalen Elementen

Nach § 475 b Abs. 2 – 6 BGB ist die Ware mit digitalen Elementen dann frei von Sachmängeln, wenn die Ware den subjektiven und objektiven sowie den Montageanforderungen entspricht. Insoweit müssen zunächst die „allgemeinen“ Anforderungen an die Sachmängelfreiheit bei Waren nach § 434 BGB (siehe oben Nr. 1) erfüllt sein. Hinzu kommt:

  • Für die digitalen Elemente müssen die im Kaufvertrag vereinbarten Aktualisierungen während des nach dem Vertrag maßgeblichen Zeitraums bereitgestellt werden (= zusätzliche subjektive Anforderungen);
  • Dem Verbraucher müssen während des Zeitraums, den er aufgrund der Art und des Zwecks der Ware und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann, Aktualisierungen bereitgestellt werden, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind, und der Verbraucher muss über diese Aktualisierungen informiert werden (= zusätzliche objektive Anforderungen);
  • Die Ware mit digitalen Elementen muss auch den Installationsanforderungen entsprechen. Das ist der Fall, wenn die Installation a) der digitalen Elemente sachgemäß durchgeführt worden ist oder b) zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Installation durch den Verkäufer noch auf einem Mangel der Anleitung beruht, die der Verkäufer oder derjenige übergeben hat, der die digitalen Elemente bereitgestellt hat.

Im Ergebnis trifft Verkäufer von Waren mit digitalen Elementen damit jetzt neu eine Pflicht zur Bereitstellung von Aktualisierungen und eine entsprechende Informationspflicht, die zeitlich praktisch auf unbestimmte Dauer, nämlich auf den Zeitraum der üblichen Nutzungs- und Verwendungsdauer der Kaufsache ausgedehnt ist. Da dieser Zeitraum gesetzlich nicht festgelegt ist, werden am Ende Gerichte entscheiden, wie lange die Lebensdauer des Produkts letztlich ist. Soweit Händler Artikel anderer Hersteller vertreiben, sind sie in Bezug auf die Aktualisierungspflichten auf die enge Zusammenarbeit mit den Herstellern angewiesen.

Verjährung bei Waren mit digitalen Elementen

§ 475 e Abs. 1 und Abs. 2 BGB enthalten einige Sonderbestimmungen für Waren digitalen Elementen:

  • Bei dauerhafter Bereitstellung digitaler Elemente verjähren Ansprüche wegen eines Mangels nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums;
  • Ansprüche wegen der Verletzung der Aktualisierungspflicht verjähren nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht.
Umkehr der Beweislast bei Waren mit digitalen Elementen

Ist bei Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein Sachmangel während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, so wird nach § 477 BGB vermutet, dass die digitalen Elemente bereits während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren.

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: © photoschmidt – stock. adobe. com
An den Anfang scrollen