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Der Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen

Nicht jede Abmahnung muss sich der abgemahnte Händler gefallen lassen. In Einzelfällen stellen sich Abmahnungen als rechtsmissbräuchlich dar, insbesondere dann, wenn diese in erster Linie zur Generierung von Kostenerstattungsansprüchen ausgesprochen werden.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem kürzlich im Volltext veröffentlichten Urteil zum Bauheizgerät-Fall (BGH, Urteil v. 15.12.2011, Az. I ZR 174/10) einige Anforderungen zum Vorliegen einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung im Wettbewerbsrecht definiert. In dem Fall hatte ein gewerblicher eBay-Verkäufer ein Bauheizgerät mit den Worten „2 Jahre Garantie“ beworben, ohne dabei die angeblich gem. § 477 Abs. 1 S. 2 BGB notwendigen Angaben zur Garantie zu machen. Der abmahnende Mitbewerber verlangte daraufhin die Abgabe einer Unterlassungserklärung und die Erstattung seiner Rechtsanwaltskosten. Der eBay-Verkäufer gab sodann eine Unterlassungserklärung ab, jedoch nicht die vom Wettbewerber vorformulierte, sondern eine sog. „modifizierte Unterlassungserklärung, d. h. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich und mit der Verpflichtung zur Zahlung einer unbezifferten Vertragsstrafe, die je nach Einzelfall durch den Abmahner bemessen werden kann.

Die vom Mitbewerber in seiner Abmahnung vorformulierte Unterlassungserklärung enthielt dagegen eine besondere Regelung für die bei Verstößen zu zahlende Vertragsstrafe. Die Vertragsstrafe sollte auch dann zu zahlen sein, wenn den eBay-Verkäufer kein Verschulden trifft. Der eBay-Verkäufer stellte kurz darauf wieder ein Bauheizgerät mit der Werbung „2 Jahre Garantie“ bei eBay ein. Daraufhin mahnte der Wettbewerber den Verkäufer erneut ab, worauf dieser allerdings nicht mehr reagierte. Der Mitbewerber erwirkte sodann gegen den Verkäufer eine einstweilige Verfügung und klagte darüber hinaus auch auf Zahlung.
Der BGH urteilte in letzter Instanz, dass dem Wettbewerber keine Ansprüche gegen den Verkäufer zustehen und die Abmahnungen missbräuchlich waren.
Zunächst verwies der BGH auf ein kurz zuvor ergangenes Urteil (BGH, Urteil v. 14.04.2011) in dem er festgestellt hat, dass die Vorschrift des § 477 Abs. 1 S. 2 BGB nicht einschlägig sei, wenn ein Verkäufer nur mit der Garantie wirbt, da unter den „Begriff der Garantieerklärung im Sinne des § 477 Abs. 1 Satz 1 BGB nur die zum Abschluss eines Kaufvertrages oder eines eigenständigen Garantievertrages führende Willenserklärung, nicht dagegen die Werbung, mit der eine Garantie im Zusammenhang mit Verkaufsangeboten noch nicht rechtsverbindlich versprochen wird, sondern die den Verbraucher lediglich zur Bestellung auffordert“, fallen würde. Daher müssen die in § 477 Abs. 1 S. 2 BGB geforderten Angaben nicht schon bei der Werbung gemacht werden.
Der BGH hat sich zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung außerdem der Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm angeschlossen und festgestellt, dass die Abmahnungen im vorliegenden Fall gemäß § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich gewesen seien. Missbräuchlich ist eine Abmahnung dann, wenn sich dies aus den Gesamtumständen ergibt. Aus dem Gesetz ergibt sich als Indiz hierfür, wenn die Abmahnung vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Diese auf den ersten Blick kaum greifbare gesetzliche Regelung hat der BGH in seinem Urteil konkretisiert und neue Kriterien aufgestellt:

  • Zunächst muss auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung der Verstöße abgestellt werden, im Verhältnis zum Wettbewerbsverstoß. Je schwerwiegender ein Wettbewerbsverstoß, desto mehr spricht für eine ordnungsgemäße, d. h. legitime Abmahnung und umgekehrt, je geringer der Wettbewerbsverstoß und je systematischer die Verfolgungsmaßnahme (Abmahnungen) desto eher kann das für einen Rechtsmissbrauch sprechen.
  • Des weiteren sieht der BGH einen deutlichen Hinweis für einen Rechtsmissbrauch darin, dass die Vertragsstrafe nach der vom Wettbewerber vorformulierten Erklärung unabhängig von einem Verschulden für jeden Fall der Zuwiderhandlung entrichtet werden sollte und diese außerdem noch so in die Unterwerfungserklärung eingefügt war, dass sie ohne weiteres überlesen werden könnte.
  • Einen weiteren Anhaltspunkt für ein missbräuchliches Verhalten hat der BGH darin gesehen, dass der Wettbewerber in der vorformulierten Unterlassungserklärung für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.100 € vorgesehen hat. Die geforderte Vertragsstrafe muss im Verhältnis zum Wettbewerbsverstoß stehen. Je geringer der Wettbewerbsverstoß, desto geringer muss die Vertragsstraße sein und umgekehrt.
  • Des Weiteren darf die vorgefertigte Unterlassungsverpflichtungserklärung (wie in diesem Fall) nicht so weit gefasst sein, dass darunter auch vollkommen andere als die abgemahnten Verstöße fallen und dadurch jede andere Belehrung, die gesetzeswidrig ist, eine Zuwiderhandlung darstellt. In Verbindung mit der hohen Vertragsstrafe für geringe Wettbewerbsverstöße spiegele das das Interesse des Wettbewerbers wider, sich über Vertragsstrafen eine Einnahmequelle zu verschaffen.

Fazit:
Wenn ein Wettbewerber systematisch Abmahnungen verschickt, kann dies rechtsmiss-bräuchlich sein. Eine Vertragsstrafe darf einem Händler nicht ohne ein Verschulden auferlegt werden und muss in einem Verhältnis zum Wettbewerbsverstoß stehen. Darüber hinaus muss die Unterlassungsverpflichtungserklärung für den konkreten Fall formuliert sein und darf nicht für einen unbestimmten Kreis von Verstößen formuliert sein. Wenn diese Kriterien vorliegen, wobei nicht alle kumulativ vorliegen müssen, da es sich letztlich um eine Abwägungsfrage handelt, spricht einiges dafür, dass es sich um eine missbräuchliche Abmahnung handelt.
Jeder Händler, der eine Abmahnung erhalten hat, sollte sich dementsprechend durch einen Fachanwalt beraten lassen, ob hier vielleicht im Einzelfall Kriterien vorliegen, die für eine Rechtsmissbräuchlichkeit sprechen.

 

Bildnachweis: © moonrun – Fotolia.com

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