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Forderungen aus Abmahnungen im Wert von 90 Mio. – wer bietet mehr?

Es kam mir schon seltsam vor, als wir von der Kanzlei U+C letzte Woche exakt gleichlautende Forderungsschreiben in allen Mandaten erhielten, die wir im Bereich Filesharing mit U+C als Prozessbevollmächtigten auf der Gegenseite streitig führen. Teilweise hatte man seit über einem Jahr nichts mehr von U+C gehört, nun sollen die Mandanten plötzlich 1.286,80 € pro Fall zahlen. Und das völlig unabhängig von den Verhandlungen, die im Vorfeld geführt wurden.
Als ich dann gestern die News bei Heise gelesen habe, dass U+C Filesharing-Forderungen im Wert von 90 Mio. Euro höchstbietend als Vermittler zur Versteigerung anbietet, konnte ich es kaum glauben. Das Vorgehen von U+C ergab jetzt im Nachhinein aber wenigstens einen Sinn.
Der Veröffentlichung bei Heise folgte ein empörter Aufschrei der Leser, die ihrem Ärger in einer Vielzahl von Kommentaren Luft machen. In vielen Punkten kann ich diesem Ärger uneingeschränkt zustimmen. Die Kollegen von U+C sind jedenfalls auf dem besten Wege,  mit dieser unfassbaren Aktion unseren ganzen Berufsstand in Verruf zu bringen.
Unsere Berufsordnung enthält zahlreiche (mehr oder weniger sinnvolle) Regelungen, um die Integrität und die Seriosität des Anwalts zu gewährleisten. Deshalb wäre es erfreulich, wenn sich die zuständige Anwaltskammer diese Angelegenheit einmal genauer anschauen würde.

Sowohl mir als auch anderen Kollegen stellen sich bei dieser Versteigerung jedenfalls einige Fragen. So stellt Kollege Stadler in seinem Beitrag bereits die Wirksamkeit der Übertragung von Nutzungsrechten durch den Urheber in Frage. Kollege Solmecke bezweifelt in seinem Beitrag, dass die Weitergabe der Daten, die in einem Auskunftsverfahren gewonnen wurden, überhaupt zulässig und die Verwendung in einem Gerichtsverfahren möglich ist. Darüber hinaus stellt er die Höhe der geltend gemachten Forderungen infrage.
Dem kann man nur beipflichten, da bereits der für die Forderung angesetzte Gegenstandswert in Höhe von 25.000 EUR sehr sportlich erscheint. Darüber hinaus wird auch noch Schadensersatz nach Lizenzanalogie in Höhe von 250 EUR geltend gemacht. Dieser kann im Einzelfall jedoch nur gegen den Verletzer selbst, nicht jedoch gegen den Störer geltend gemacht werden. Zudem ist die Frage zu berücksichtigen, ob die Abmahnung innerhalb der aktuellen Verwertungsphase des Films (6 Monate ab Erscheinen) erfolgte.
Nicht nur zu dieser Thematik kommt es übrigens ganz auf den Einzelfall an. So haben wir in einem Fall bereits negative Feststellungsklage angedroht, da die Urheberrechtsverletzung nachweislich nicht vom Anschluss unseres Mandanten begangen wurde. In einem anderen Fall wurde vor etwa einem Jahr ein Vergleichsbetrag an U+C überwiesen. Die Zahlung wurde zwar entgegen genommen, findet jedoch in dem aktuellen Forderungsschreiben überhaupt keine Berücksichtigung. Hier besteht die Forderung nachweislich schon gar nicht der vollen Höhe nach. Dies sind nur einige Beispiele dafür, welche Zweifel an den einzelnen Forderungen bestehen können.
Mit der Ankündigung von U+C, es handele sich um „Forderungen aus Urheberrechtsverletzungen“, die „jeweils gleichartig und aus dem gleichen Rechtsgrund“ bestehen, möchte man wohl den Eindruck erwecken, dass sich die Forderungen wegen Ihrer angeblichen Gleichartigkeit einfach durchsetzen lassen.
Dies wird für den Erwerber der Forderungen aber gerade nicht so einfach werden. Abgesehen davon, dass jeder Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen sein wird, spielen noch andere Faktoren eine Rolle.
So haben sich die Abgemahnten in vielen Fällen dazu entschieden, keinen Schadensersatz zu leisten und es auch ein Verfahren ankommen zu lassen. Wenn sich diese Abgemahnten schon nicht durch eine anwaltliche Abmahnung zur Zahlung bewegen lassen, wird Sie die Forderung durch eine Inkassogesellschaft im Zweifel eher kalt lassen.
Darüber hinaus hat die Justizministerin kürzlich angekündigt, gegen den „ausufernden Abmahnissbrauch“ auch im Bereich des Filesharing vorgehen zu wollen. Je nachdem, in welcher Art und Weise und wie schnell diese Ankündigung umgesetzt wird, drohen die angebotenen Forderungen erheblich an Wert zu verlieren.
Auch ist es unklar, wie die Gerichte reagieren werden, sollten Sie mit Klagen im fünfstelligen Bereich überschwemmt werden. Die Durchführung würde sich dann schlimmstenfalls über Jahre hinziehen und die allgemeine Auffassung der Rechtsprechung zum Thema Filesharing könnte sich schnell ins Gegenteil umkehren.
Es kommt jedenfalls nicht von ungefähr, dass die Abmahnkanzleien gemessen an der Anzahl der Abmahnungen selbst bisher kaum Verfahren angestrengt haben. In sofern ist es ein  cleverer Schachzug, den Aufwand und das Risiko auf einen Dritten abzuwälzen und die Forderungen einfach zu verkaufen.
Dann gehört es jedoch auch zu den Pflichten, die Interessenten umfassend über die Risiken bei der Realisierung der Forderungen aufzuklären. Es bestehen jedenfalls ernsthafte Zweifel, ob die Forderungen am Ende auch nur den Bruchteil des angegebenen Werts von 90 Mio einbringen werden.
Alle Interessenten sollten sich deshalb eingehend mit dem Thema auseinandersetzen und die Risiken analysieren, bevor Sie auf das Forderungspaket bieten.

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